Im Juli letzten Jahres haben wir das erste Buch von Christian Kurz vorgestellt, das in einer alternativen Zeitentwicklung, in der Hitler den 2. Weltkrieg gewonnen hat, spielt. Im Februar erscheint bei Himmelstürmer nun die Fortsetzung der Ge- schichte, in der fast die ganze Welt am deutschen Wesen genesen ist. Nur noch einige wenige weiße Flecken, darunter Kanada, haben sich dem Großdeutschen Reich nicht ange- schlossen - oder sagen wir es deutlicher: unterworfen.
Nach dem erfolgreichen Sieg der Nazis im großen Krieg wurde die Welt nach ihren Werten geformt. Die Weltsprache ist nun deutsch, unerwünschte Menschen gibt es nicht mehr und auch Schwule gelten als ausgerottet. Jedoch existieren sie weiterhin, wenngleich auch nur im Verborgenen.
Im ersten Buch dieser Reihe, Allein(e) unter seinesgleichen, hatte der junge Wolfgang Volkmer aufgrund der Nicht-Informa- tion keine Ahnung, was es bedeutete, daß er sich in seinen Klassenkameraden Nils verliebt hatte. Wolfgang wußte nur, daß es nicht richtig sein konnte, daß er diese Gefühle für seinen Freund empfand. Erst als er in einem Buchladen mit der verbotenen Winkel-Literatur in Kontakt kam, lernte er das Wort "schwul" kennen. Nach und nach begann er zu be- greifen, wer er war – ein Schwuler und damit ungewollt ein Volksfeind.
Am Ende des ersten Buches hatten Wolfgang Volkmer und Karl Beck, ein Autor von schwulen Romanen, es geschafft, das Deutsche Reich hinter sich zu lassen, um im fernen Kanada ihr Glück zu suchen.
Karl Beck muß allerdings schnell erkennen, daß Deutsche hier nicht gerne gesehen sind, denn auch bei den Kanadiern gibt es Leute, die einen Haß auf Schwule haben. Karl versucht sich nicht entmutigen zu lassen und muß sich mit Gelegen- heitsarbeiten am Leben halten, was ihm mehr schlecht als recht gelingt.
Aber in der Heimat ist er nicht vergessen – seine Geschichte, die er für die verbotenen Winkel-Hefte verfasste, erregt die Aufmerksamkeit der Nazi-Partei. Für diese steht eindeutig fest: der Autor Karl Beck muß sterben, egal wo er sich gerade aufhält. Offizier Schmidtz reist deswegen bis nach Kanada, um ihn zu töten ...
Die in Allein unter Seinesgleichen begonnene Geschichte wird in diesem Buch auf ebenso spannende wie gut geschriebene Weise fortgesetzt. Nachdem einer der Handlungsträger am Ende des ersten Romanes ein harsches Ende gefunden hatte, blieben für diese Fortsetzung der Geschichte noch vier der ursprünglich fünf Handlungsstränge. Neben dem jungen Wolfgang Volkmer und dem Autor Karl Beck standen zwei davon auf Seiten der Staatsorgane: Offizier Schmidtz und Nils Breuer. Diesmal allerdings konzentriert sich die Handlung mehr oder weniger auf die Person des Autors Karl Beck und sein neues Leben in Kanada. Die anderen im ersten Buch offen endenden Handlungsstränge um Wolfgang Volkmer und Nils Breuer werden (vorläufig) nicht weiterverfolgt. Am Ende des letzten Romans hatten die Flüchtlinge vor dem neuen Nazireich das gelobte Land Kanada erreicht. In diesem Buch muß Karl Beck nun feststellen, daß in der Tat nicht alles Gold ist, was glänzt und Kanada für Ausländer alles andere als ein Paradies ist. Zudem ist ihm Offizier Schmidtz, ein 150prozentiger Nazischerge, auf den Fersen, der den Autor einer Alternativ-Welt-Fantasy-Geschichte, in der dieser Hitler den Krieg unverschämterweise hat verlieren lassen, endgültig zum Schweigen bringen soll und will - und dabei auch unterwegs skrupellos über Leichen geht. Doch nicht nur von seinem uniformierten Verfolger (auch wenn er widerstrebend Zivilkleidung trägt) droht Karl Beck und seinen Leidensgenossen Gefahr. In einem weiteren Handlungsstrang wird die Entstehung und Ausbreitung einer "Bürgerbewegung" aufgezeichnet, die Kanada den Kanadieren vorbehalten will. Dabei steht diese Gruppierung den Nazis in ihrem Gedankengut in Nichts nach und ist nicht so weit von unserer real existierenden Welt entfernt, in der sich Intoleranz, Ausgrenzung, Haß und Gewalt gegen alles, was als anders empfunden wird, wieder breit machen. Wie schrieb, wenn wir uns recht erinnern, Klaus Staeck doch einmal auf einem seiner Plakate? Der Schoß ist fruchtbar noch ... Aber es gibt nicht nur negative Seiten in der schönen neuen Welt, die Christian Kurz in seinem Kanada enstehen läßt. Da gibt es eine Selbsthilfgruppe der schwulen Auswanderer, die sich gegenseitig unterstützen und unter stillschweigender Duldung örtlicher Behörden ein gemeinsames Projekt aufgebaut haben, das den Gestrandeten in Kanada Wohnung und Einkommen bietet. Auch außerhalb dieses selbstverschriebenen Ghettos gibt es Menschen, die ungeachtet der Unterschiede anderen Menschen helfen. Um es mit einem Berliner Bürgermeister zu sagen: Und das ist auch gut so (und läßt hoffen, solange es diese Menschen in unserer Realität noch in der Mehrheit gibt). Aber auch auf Seiten der Nazireiche besteht keine geschlossene Front, das muß Offizier Schmidtz feststellen, als er im neuen Amerika seinen Undercover-Auftrag in Kanada vorbereitet und nicht ganz die Unterwürfigkeit und Unterstützung erhält, die er vorausgesetzt hatte. Auch dieser Handlungs- strang bietet einiges Spannung (leider auch wieder ungeschönte Brutalität) und auch ein wenig Schitz- ohrigkeit, die mitunter recht amusant wird (wenn man im nächsten Moment auch wieder ob der beschriebenen Brutalität und Menschenverachtung schlucken muß). Nicht zuletzt Ordonanz-Offizier Straub ist eine interessante Figur, und wir würden uns nicht wundern, wenn er in einem nächsten Buch auch wieder eine Rolle spielen würde, in ihm steckt auf jeden Fall noch eine Menge Potential für neue Geschichten. Alles in allem eine wieder sehr gut geschriebene Fortsetzung über das Leben in einer alternativen Gegenwart. Neben den bekannten Personen kommen einige neue ins Spiel (Gute wie Fiese) und bewegen sich zuerst langsam, aber dann mit immer mehr Tempo auf das Ende der Geschichte zu. Das Ende ist wiederum (für einige zumindest) offen und läßt Raum für eine Fortsetzung, in der zumindest einige der bisherigen Hauptpersonen (sowohl aus dem ersten wie auch aus dem zweiten Buch) wieder vertreten sein könnten. Für uns ist auch dieses zweite Buch der Reihe auf jeden Fall ein spannender, absolut lesens- werter Roman, der wieder Schwarz-Weiß-Malerei vermeidet und auf jeden Fall ein unbeschönter TopTip.
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