Von Erich Kästner kennt man wohl vor allem die Kinder-Geschichten um Das doppelte Lottchen, Emil und die Detek- tive oder Das fliegende Klassenzimmer, die auch immer wieder mehr oder weniger gelungen verfilmt worden sind. Für erwachsene Leser ist Käster (weniger) bekannt für Die Schule der Diktatoren oder auch die Drei Männer im Schnee. Da- neben hat er aber auch für das politische Kabarett und auch mehr oder weniger bösartige Gedichte geschrieben. Fabian, von dem gesagt wird, daß es Erich Kästners Meisterwerk ist, wurde vor seinem Erscheinen verändert und gekürzt. Jetzt liegt er zum ersten Mal so vor, wie ihn Kästner geschrieben und gemeint hat – unter dem Titel, den Kästner ursprünglich vor- gesehen hatte: Der Gang vor die Hunde. Bei atrium erscheint neben dem Buch im März auch eine ungekürzte Hörbuch-Aus- gabe.
1931 lieferte Erich Kästner seinem Verlag ein Manuskript mit dem Titel Der Gang vor die Hunde. Es erzählt die Geschichte des arbeitslosen Germanisten Jakob Fabian, der durch das überhitzte Berlin der späten zwanziger Jahre streift, eine Stadt, die sich politisch und erotisch im Ausnahmezustand befindet.
Der junge Kästner, der freche Shootingstar der Berliner Litera- tur-Szene, hatte in seinem ersten Roman alle Register gezogen. Das machte seinen Roman für den Verlag zu einem Sprengsatz, den das Lektorat mit spitzen Fingern entschärfte und der dann – entgegen Kästners ursprünglicher Intention – unter dem Titel Fabian erschien.
Doch auch noch in der verharmlosten Fassung galt das Buch vielen als dekadent und obszön. Kästner selbst sagte dazu: "Dieses Buch ist nichts für Konfirmanden, ganz gleich, wie alt sie sind."
Erzählt wird die Geschichte des jungen Germanisten Jakob Fabian, der gerade dabei ist, sein Leben als Werbetexter mit seiner neuen Freundin auf ein neues Fundament zu stellen und in den Griff zu kriegen, als er - vermutlich weil er seinem Vorge- setzen zu unverblühmt die Wahrheit über dessen Mißbrauch von Untergebenen/Abhängigen ins Gesicht gesagt hatte - ebenso pötzlich wie unerwartet seinen Job verliert.
Was folgt, ist eine schlaglichtartige Odysee der Hauptperson durch das Berlin der frühen dreißiger Jahre, mit jeder Menge gesellschaftlicher, sexueller und politischer Szenerien und An- spielungen auf die real existierende und von Kästner befürchtete Entwicklung dieser Zeit in der deutschen Hauptstadt (und drum- herum).
Man trifft einen Erfinder im Schrank, der auf der Flucht vor seiner Familie ist, weil er sich weigert, Profit aus dem Leiden anderer zu schlagen und zwei verfeindete Vertreter von den entgegen- gesetzten Enden des politischen Spektrums treffen sich deutlich schmerzhafter und werden von Fabian und Labunde ins Kran- kenhaus gebracht, wo sie erfahren, daß die beiden kein Einzel- fall sind.
Der Roman wurde jetzt vom Kästner-Experten Sven Hanuschek Wort für Wort rekonstruiert. Das nicht vertonte Nachwort des Buches ist im beiliegenden zwanzigseitigen Begleitbüchlein zu finden.
Für alle, die lieber selbst lesen: Das gleichnamige Buch, mit einem um- fassenden Nachwort, das einen Einblick in die Werkstatt eines der größten deutschen Autoren bietet, ist ebenfalls bei Atrium erschienen. (Auch als ebook.)
Ungekürzte Lesung