Annette Jäckel:
Talk
(Talk, BRD, 1997)
Von der lebendigen Vergangenheit Tutenchamuns geht es in diesem Tip der Woche wieder zu einem Krimi unserer Tage ...
... allerdings zu einer echten Ausnahme-Erscheinung. Wir hatten es nach einigen schlechten Erfahrungen der letzten Zeit nicht mehr für möglich gehalten, aber es ist wahr. Es gibt einen Krimi aus deutschen Landen, der nicht die (ja ich zitiere mal wieder die Sounds) für deutsche Unterhaltung typische Leichtigkeit eines Herbstmanövers hat. Und er scheint auch nicht aus dem Bastelkasten "30 Charaktere und Handlungsstränge für deutsche Krimiautoren zum Selbermachen" entnommen zu sein. Aber was sollen uns alle diese Worte sagen? Ganz einfach ausgedrückt: Das hier ist ein richtig guter Krimi.
Clara Sintmann führt ein ganz normales Leben. Sie lebt mit ihrem Freund Rainer zusammen (der wiederum mit seinen Fischen zusammenlebt), geht in den Supermarkt (und kennt kleine Kniffe, möglichst schnell an die Kasse zu kommen), nennt einen ebenso illustren wie durchschnittlichen Freundeskreis ihr eigen und verdient sich ihr Geld durch Gastauftritte bei den allerorten grassierenden TV-Talk-Shows.
Ihr bevorzugter Tatort sind dabei die Studios von Giga TV. Hier hat sie ihren ersten Auftritt in Katrin Munkels Show "Ich gestehe alles" (Thema des Tages "Eifersucht - hat die Liebe das noch eine Chance?") Verborgen hinter einer Leinwand erzählt sie dem staunenden Publikum ihre "authentische Geschichte", die in dem Geständnis gipfelt "Ich würde aus Eifersucht töten".
Nachdem ihr Auftritt gut angekommen ist, wird ihr angeboten, dem festen Stamm "authentischer Gäste" bzw. "enthusiastischen Publikums" der Talkshow beizutreten und nebenbei bekommt sie noch ein paar weitere kleine Kulissengeheimnisse mit - wobei nicht immer nur geflüstert wird. Und sie bekommt noch etwas, nämlich eine Einladung zu ihrer "Betreuerin", Michelle Wengert auf eine Tasse Kaffee.
Dummerweise erweist sich Michelle als schlechte Gastgeberin - nicht nur der Kaffee, auch sie selbst ist reichlich kalt, als Clara sich in die dunkle Wohnung tastet. Krimi-Experten werden es wohl schon geahnt haben: Michelle ist mausetot. Clara wird dank ihres Talkshow-Auftritts die Hauptverdächtige, was ihr die besondere Zuneigung von Kommissar Lebrandt und Astrid Link einbringt. (Letztere ist bei Giga-Tv zuständig für "In zehn Minuten die ganze Welt", und entschlossen, Clara für die Rubrik "Aus dem Leben gerissen" ins Bild zu setzen.)
Klar, daß es jetzt mit dem gemütlichen Leben vorbei ist. Auf hauptverdächtige eifersüchtige Talkshowgästinnen reagiert die Umwelt halt etwas eigenwillig ...
Eigenwillig ist auch dieser Krimi. Der lakonische, leicht ironische Stil erinnert eher an britische Krimis als an deutsche Werke dieser Gattung. Die Personen und die Geschichte sind so gut erfunden, daß sie beinahe schon real sein könnten. Aber glücklicherweise ist das doch alles erfunden. Oder?
Wer sich wirklich einmal spannend unterhalten lassen will, dem kann dieses Buch ohne Einschränkung empfohlen werden. Hoffentlich kommt noch mehr in dieser Art.
Annette Jäckel
Talk
grafitTaschenbuch
ca. 160 Seiten
7,40 ECU
ISBN 3-89425-202-2
* Ecu: HFL/DM = ECU x2, BEF = ECU x 40, öS:
x15,6, sfr: x1,8