Als ahnungsloser Leser fragt man sich ja oft, wie das so geht, das Schreiben einer Geschichte. Wie kommt so ein Autor auf all seine Ideen, und wie kriegt er es hin, daß aus seinen Ideen eine Geschichte wird? Man kann es sich denken: Ganz einfach ist das alles nicht. Das weiß auch der, der in Oslo an seiner Schreibmaschine sitzt und seine Geschichte schreiben will. Ein wenig läßt er sich aber die Schulter und in die Rezept-Kiste schauen.
Zunächst braucht man etwas Gegend, etwas Mobiliar, zum Beispiel eine kleine Insel vor der zerklüfteten Küste Westnorwegens, eine kleine Stadt auf dem Festland und eine Fähre, die zwischen den beiden hin und her pendelt.
Auf der kleinen Insel Eikoy wohnen nicht sehr viele Leute, und wir lernen sie und ihre großen und kleinen Sorgen bald kennen: den pensionierten Postbeamten Skogmann, den niemand mehr braucht, bei dem sich aber doch viele Rat holen, Arve Brunberg, der frustrierte Angestellte der Stadtverwaltung, der wie die anderen jeden Morgen mit der Fähre nach Ramvik übersetzt und dort im Büro den Tag hinter sich bringt, und seine nicht minder frustrierte Frau Henriette, die ihren Mann mit einem imaginären Geliebten zur Verzweiflung treibt. Auch die Kretsens haben es nicht leicht, vor allem Tochter Marianne, die schwanger ist, den Mann nicht mehr will, das Kind nicht will, aber so gar nicht weiß, wer ihr helfen kann. Und dann gibt es da noch das graue Schiff, auf dem ein Forscherteam ausbaldowert, daß die hübsche Insel Eikoy sich doch viel besser als Niederlassung für eine ausländische Reederei eignet denn als Heimat für ein paar Menschen.
Da hätten wir also ein paar von den Personen, mit denen der Autor (wir erinnern uns: Der, der in Oslo an der Schreibmaschine sitzt), deren Geschichte er also erzählt. Und während ein Autor so an seiner Geschichte strickt, seine Personen dies und das tun und sagen läßt, da passiert ihm natürlich dasselbe, was so oft dem Leser widerfährt: Er gewinnt seine Personen lieb, er möchte sie kennenlernen, und er möchte ihnen helfen in ihrem Schlamassel, ihnen erzählen, was sie besser machen können. Also macht er sich auf nach Westnorwegen, auf der Suche nach seiner imaginären Stadt und seinen erfundenen Personen. Je mehr er herumreist und je länger er sucht, desto mehr paßt das, was er erlebt, in seine Geschichte, und desto wirklicher werden seine Personen. Und so wundert sich eigentlich niemand mehr, als er schließlich auf der Fete des Kurators mitten unter ihnen sitzt, als sei er einer von ihnen.
So kann das gehen. Während anderswo immer noch sechs Personen ihren Autor suchen, findet hier der Autor seine Personen. Und wie er sie findet, das liest sich auch noch richtig gut. Nix intellektuell, vertrocknet und hochsymbolisch, wie literarische Erzählungen standardmäßig zu sein haben. Edvard Hoem kann darauf verzichten. Leicht und flüssig ist die Sprache, und die Story wird nie langweilig. Manch ein "Oeuvre" der Literatur kann da vor Neid erblassen.