Februar 2014 |
Autor/Herausgeber/Reihe:
Almut Schnerring: Sascha Verlan
| Titel:
Die Rosa-Hellblau-Falle Für eine Kindheit ohne Rollenklischees |
4.
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Originaltitel:
Originaltitel
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Erscheinungsland
Original: D |
Erscheinungsjahr
Original: 2013 |
Rosa ist für Mädchen, Hellblau für Jungs, nach diesem Prinzip sind ganze Kaufhausabteilungen geordnet. Lego hat gerade eine neue Mädchen-Spielsteinreihe auf den Markt gebracht, für die Jungs gibt es eigene Cyber-Raketen-Roboterwelten.
Und auch bei den Verlagen gibt es wieder zunehmend rosa eingebundene Bücher, die für Jungs verboten sind und echte Jungen-Bücher über Fußball und Abenteuer - die natürlich nix für Mädchen sind. Ja, es gibt sogar eigene Verlage, die aus- schließlich auf "romantische" Bücher für Mädchen ausgerichtet sind.
Als emanzipierte Erwachsene haben wir diese Geschlechter- klischees für längst überwunden gehalten, doch Eltern (und Betroffene, also Kinder und Jugendliche) werden heutzutage wieder ebenso weitgestreut wie unerbittlich mit ihnen kon- frontiert. Alles nur gut gemeint und kein Problem? Sind Ge- schlechterunterschiede nicht vielleicht wirklich angeboren und damit eine Lebensrealität?
Almut Schnerring und Sascha Verlan, selbst Eltern von drei Kindern, beschäftigen sich mit den Rollenklischees, die derzeit wieder fröhlich ins Kraut schießen, eine ganze Produktin- dustrie am Leben halten und sich zunehmend in den Köpfen der Betroffenen festsetzen.
Hautnah und pointiert beschreiben die Autoren dieses Buches Szenen aus dem Familienalltag, hören sich in Kinder-Tages- stätten um, diskutieren mit Marketingstrateginnen, Forschern, Pädagoginnen und - natürlich - mit anderen Eltern.
Wie würden unsere Kinder aufwachsen, wenn die Klischee- fallen und Schubladen nicht immer wieder bedient würden?
Dieses Buch ist aber auch ein Aufruf zum Widerstand, der ganz konkrete Tips bietet, wie sich die Geschlechterfalle im Alltag umschiffen läßt.
Originalausgabe |
Hardcover/gebundenes Buch |
Direkt beim Verlag bestellen:
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Kunstmann Buch ca. 250 Seiten ISBN 3-88897-938-2 |
Preis: 16,95 tEuro (D) 25,70 tEuro (A) 35,50 SFr (CH) |
Beim onlineshop:
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Unsere
Meinung: Diese Meinung, fällt mal wieder etwas länger aus, weil es unserer Meinung nach um lebens-wichtige Inhalte geht. Auch wenn es stellenweise von Untersuchungsergebnissen und Zitaten wimmelt, so ist dies doch ein gut lesbares, und wie wir meinen, außerordentlich interessantes Buch. Wehret den Anfängen heißt es so treffend in einem anderen Zusammenhang. Aber auch beim gegenwärtig grassierenden "Rollback" was (leider nicht nur) die freie Persönlichkeitsentwicklung angeht, ist rasches und entschlossenes Handeln dringend nötig, wenn wir nicht in die Zeiten vor den Siebzigern und Achtzigern zurückkehren wollen - mit dem Heimchen am Herd und dem süßen sexy Dummchen auf der einen und dem coolen Macho, "der das Geld heimbringt" und für den gefälligst das Abendessen auf dem Tisch steht, wenn er heimkommt und für den Action und Konkurrenzdenken Priorität vor jeglicher Gefühlsregung haben auf der anderen Seite der Gesellschaft. Auch wenn es angeblich die Fortsetzung der Emanzipationsbewegung (und die gilt für beide Geschlechter) sein soll - Wirtschaft und Medien hämmern pausenlos in die Hirne von von Jung und Alt, wie man und frau sich "richtig" Verhalten: welches Auftreten, Kleidung, ... für Mädchen und Jungen, Frauen und Männer die einzig akzeptable ist. Und sie unterstützen das durch entsprechende TV-Sendungen wie Germanys Next Topmodel und die beschränkte Auswahl in Sachen Kleidung und Spielzeug. Aber daß das nur die Spitze des Eisberges ist, zeigen die Autoren dieses Buches (die ihre Beiträge auch nicht nach Männlein- und Weiblein-Autor kennzeichnen) an erschreckenden Beispielen aus allen (auch scheinbar ach so harmlosen) Bereichen des heutigen Alltags. Sei es in der Schule, in dem allein der Hinweis auf "weibliche" und "männliche" Stärken und Schwächen in Untersuchungen dazu führt, das Mädchen plötzlich schlechter in Mathe abschneiden als ohne den Hinweis, und bei Jungs das gleiche mit Sprachen - oder die Beschäftigung mit der Materie gleich ganz sein lassen, weil es sich für sie nicht schickt. Sei es bei TV und Medien, die für Mädchen die süße, rosarote Prinzessinnen- und Barbie-Welt vorgeben, der nachzueifern es keine Alternative zu geben scheint, im Kindergarten, wo bereits auf blau-rosa gedrillt wird, oder beim Menschenbild, das heute so brutal propagiert wird, daß es beinahe schon für fünfjährige Mädchen normal ist, mit ihrem nicht model-mäßigen Körper unzufrieden zu sein, sich mit Diäten auf TV-Maß zurechthungern und sich schon im (Vor-)Schulalter möglichst sexy kleiden, um Jungs abzuschleppen, "die ihren Schulranzen tragen", wie eine deutsche Zeitung jubelt. Und mitten drin die Eltern, die natürlich nur das Beste für ihre Sprösslinge wollen - und das heißt heute wieder im vorgegebenen Rahmen zu bleiben und bloß nicht aus der Reihe tanzen. Wohlgemerkt, es geht den Autoren dieses Buches nicht um eine Gleichmacherei von Jungs und Mädchen, es geht darum, daß jedem Jungen und jedem Mädchen indivduell alle Möglichkeiten offenstehen, seine bzw. ihre Persönlichkeit ungehindert durch gesellschaftliche Zwänge zu entwickeln. Ob es aber wirklich eine Fortentwicklung der Emanzipation der Frauen ist, wenn beispielsweise Sportlerinnen beinahe im Bikini statt in Sportkleidung ihre Rennen absolvieren, und langbeinige unbekleidete Frauenkörper die Werbung für alle möglichen und unmöglichen Dinge "zieren", bezweifeln nicht nur Frauenrechtlerinnen und die Autoren dieses Buches. Oder wie es eine schwedische EU-Abgeordnete formuliert hat: "Ge- schlechtsspezifische Klischees in der Werbung stecken Frauen, Männer, Mädchen und Jungen in eine Zwangsjacke und beschränken Individuen auf vorgegebene künstliche Geschlechterrollen, die oftmals herabwüdigend, beschämend und erniedrigend für beide Geschlechter sind." Und wie dieses Buch zeigt, nicht nur in der Werbung, das ganze Leben wird immer mehr wieder in diese alten Schablonen gepreßt. Nur wenn Eltern ständig wachsam sind und das Interesse der Kinder an freier Entwicklung ihrer eigenständigen Persönlichkeit im Auge behalten, können sie ungesunder und beschränkender Einflußnahme von wirtschaft- lich und politisch-religiös motivierten Kreisen entgehen und entgegenwirken. Und das ist nicht nur wichtig für die Menschen selbst, sondern auch für die Gesellschaft, der sonst beispielsweise herausragende Mathematiker entgehen, bloß weil sie zufällig weiblich sind. Interessant übrigens auch, daß vor nicht allzulanger Zeit Rot und Rosa männliche und Blau weibliche Farben waren, was (neben vielem anderen) den "es steckt so in den Genen und kann nicht geändert werden"-Vertretern zu denken geben sollte. Ein wirklich interessantes und gut zu lesendes Sachbuch mit ebenso wichtigen wie erschreckenden In- formationen, aber auch Anregungen, die vielen Eltern das nötige Handwerkszeug an die Hand geben könnten. Für uns auf jeden Fall ein Tip. |