Haikus zu verfassen, ist in Japan eine Kunst, der sich seit Jahrhunderten Unzählige befleißigen: Geniale Dichter, bemühte Laien und viele, die irgendwo dazwischen liegen. Auch außerhalb des Inselstaates gibt es zahlreiche Anhänger dieser Leidenschaft.
Der Autor dieses Büchleins hat sich - spät im Leben - auch zu dieser Tätigkeit entschlossen, die wegen ihres geradezu atomaren, winzig forma- tigen Charakters in fast jeder Form des Tages- ablaufs unterzubringen ist. Das japanische Haiku soll immer einen Hinweis auf die Jahreszeit enthalten. Das, so schreibt er im ersten Band, habe er nicht eingehalten, doch habe er die Silbenfolge fünf-sieben-fünf in dem Dreizeiler streng befolgt.
Vor etwa einem Jahr erschien bei Berger der erste Band mit "Pseudo-Haikus" (nebst einigen Prosastücken und Schüttel- reimen) von Jürgen W. Weil. Im Mai geht es nun in die zweite Runde.
Auch hier ist wieder etwas dabei, das nicht zu dieser Kategorie gehört: das ein und andere Prosa-Stückchen sowie ein, zwei Schüttelreime.
An seinem ersten Büchlein wurde bemängelt, so der Autor, daß manche der Pseudo-Haikus zu pessimistisch, zu depressiv, zu negativ seien. Das verstehe er, aber er weise darauf hin, daß einiges auch tongue-in-cheek gelesen werden sollte.
Sein Sohn wollte ihn sogar zum Psychiater schicken - was er entschieden für übertrieben hielt. Suizid gehört zudem - im Augenblick zumindest - nicht zu den Plänen des Autoren ...
Originalausgabe
Minitaschenbuch
Berger Minitaschenbuch Format 10x15 cm ca. 80 Seiten ISBN 3-85028-847-1 Preis: 12,90 € (D) - 12,90 € (A) 19,90 SFr (CH)
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Unsere
Meinung:
Warum schreibt (oder liest) jemand Haikus? Der Autor selbst gibt einen kurzen Hinweis in diesem Büchlein: Alles ist zu lang - Bücher, Opern, Gespräche ... dann doch lieber das kurze Haiku. Zuvor wären die Inhalte dieser kurzen Betrachtungen in unseren Breiten wohl als Aphorismen oder Sinnsprüche formuliert worden, und später in den berühmt-berüchtigen Zitatsammlungen zusammengestellt. Die Haikus müssen sich genausowenig reimen wie die Sinnsprüche, aber bestimmten formalen Ansprüchen genügen, was für uns als Leser wohl weniger ins Gewicht fällt, als es die Sache für den Autoren deutlich komplizierter macht. Die Themen der in diesem zweiten Band versammelten Haikus können am besten mit der Eigendarstellung der persönlichen Charakteristik des Autoren zusammengefaßt werden: Menschenfreund (mit deutlichem Vorbehalt in Einzelfällen), Tierfreund (absolut), im Wesentlichen politikabstinent, aber entschiedener Gegner aller Totalitarismen und der Endlichkeit des menschlichen Lebens, Frohnatur mit melancholischen Phasen. Und so beschäftigen sich viele der Beiträge mit Erinnerungen an den alten und Betrachtungen zum neuen Hunde, vieles, das sich (oft melancholisch) mit Gesundheit (teils der eigenen teils der anderer) und Beziehungen zu anderen Menschen beschäftigt. Dazu kommen dann selbstironische Betrachtungen, etwa zu dem, was er alles nicht kann (einen Achttausender oder ein Stiegenhaus zu besteigen), nicht-haikuische aber gereimte Merksprüche eines Pillennehmers über 2 Seiten und Betrachtungen aus dem Gebiet der heutigen österreichischen Politik, wo sich, wie auch in anderen Ländern heute deutlich zeigt, daß Klaus Staeck mit seinem Reim, daß der Schoß fruchtbar noch ist, aus dem das braune Unwesen kroch, nur zu richtig lag. Dazwischen stecken dann allgemeine Betrachtungen wie etwa über das Sonnenlicht an einem Herbsttag des Jahres 2017. Und der Autor stellt sich die selbstkritische Frage, ob sein IQ wohl für einen schönen Haiku reicht? Wir verstehen, was wohl am ersten Band als zu pessimistisch kritisiert wurde, denn vieles beschäftigt sich mit Krankheit und Tod und Bekannten, die nicht mehr sind, aber daneben gibt es auch viele Ein- und Ausfälle, die teils selbstironisch, teils leicht bösartig die Sicht des Autoren auf die Welt um ihn herum in knappe Worte faßt. Für uns - auch wenn wir noch immer sehr gut ohne das Haiku-Format lesen/leben können - eine bis auf die bereits erwähnten morbititiösen Anwandlungen ausgesprochen unterhaltsame Lektüre. Was uns betrifft, kann er sich jede beliebige Silbenfolge gönnen, solange er die Inhalte weiterhin so auf den Punkt bringen kann, wie in vielen Beiträgen dieses Büchleins.
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