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Peter Matthews:

Operation ,Earth – Savers‘


Copyright 1980/2002 by Author. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Weiterverbreitung auch teilweise ohne schriftliche Genehmigung untersagt.

Teil 1

„Du, wir müssen endlich etwas unternehmen. Aus den bisherigen Kriegen und ihren Folgen scheint niemand schlauer geworden zu sein, und was draußen vor sich geht, hat alle Anzeichen einer aufkommenden Kampfeslust.“
Der Sprecher dieser Worte sah sich besorgt im Kreise der fünfzehn ernstbemienten Damen und Herren um. Hier, im Labor der Transeuropäischen Bewegung, tief unter der inhumanen Oberfläche der Zugspitze, arbeiteten Kapazitäten der verschiedenartigsten Spezialgebiete der Selbstausrottung des Menschengeschlechtes entgegen. Bisher allein mit den Mitteln des Geistes.
Dr. Marbock, ein führender europäischer Wissenschaftler, erhob sich und faßte die derzeitige Weltlage zusammen, wobei er die betreffenden Gebiete auf einer wandumspannenden Erdkarte mit Hilfe eines Leuchtmarkers hervorhob.
„Moskau und damit der Großkommunistische Staat,sichert seine Grenzen‘ derzeit durch einen wahren Volksmarsch in Richtung Grenze... “
„Sie meinen sicherlich,Volksarmee – Marsch‘, oder?“
Ohne auf den Zwischenruf weiter einzugehen, fuhr der Wissenschaftler in seiner Situationsanalyse fort:
„Gleichzeitig finden in Grenznähe mehrere kleine Manöver statt. Es ist jedoch eine Kleinigkeit, diese zu einen gewaltigen,Manöver‘ umzufunktionieren.
Ich darf Sie, meine Damen und Herren, daran erinnern, daß Moskau vor knapp zwei Jahren eine erneute,Jahrhunderternte‘ einbrachte, so daß unter der,arbeitenden Klasse‘ nach dem,glorreichen Fünfjahresplan der unfehlbaren und heißgeliebten Parteifübrung‘ eine Nahrungsmittelknappheit eingetreten ist wie selten zuvor und die Union der Demokratisch – Leninistischen Staaten jegliche Hilfe durch die Demo –Charta ablehnt.“
„Ist dies absolut gesichert?“ erkundigte sich Professor Eavens, ein bekannter britischer Soziologe.
„Leider muß ich Ihre Frage bejahen. Die UdDLS lehnt jede Hilfe durch die in der Demokratischen Charta zusammenarbeitenden westlichen Staaten ab. Statt dessen werden schwere Kampfschiffe vor den Küsten zusammengezogen.“
„Und was, wenn ich Sie unterbrechen darf,“ warf Dr. Marylin de Marque, Wirtschaftswissenschaftlerin aus Genf, ein, „sagen unsere Mitarbeiter in der östlichen Hemisphäre zu den Ursachen dieses Säbelklapperns? Was treibt Moskau dazu, derartige Massen zu mobilisieren?“
„Sie vermuten darin – ich wäre im übrigen noch darauf zu sprechen gekommen – eine empfindliche Reaktion der Ost – Führung auf den endgültig beschlossenen Weiterbau und die Stationierung der Neutronenbombe, aber mehr darüber kann Ihnen sicherlich der Kollege vom Infodienst geben.“
Dr. Marbock schaltete seinen Marker aus und nahm wieder am ovalen Tisch der Stationsleitung Platz.
„Vielen Dank, Dr. Marbock. Hat irgend jemand noch eine Frage an ihn?“ Tom Atkins, Politologe und ehemaliger Wirtschaftsfunktionär, sah seine Mitstreiter fragend an, aber die schienen umfassend informiert – wie es sein sollte.
„Rainer, wenn ich Sie bitten darf, die letzten Informationen beizusteuern, die in der Intercomcentrale ausgewertet wurden.“
„Danke, Tom. Zunächst soll ich Roland entschuldigen, er bedauert es, nicht an dieser Zusammenkunft teilnehmen zu können, aber unsere Jungs vom Esalab haben vor knapp zwei Stunden interessante Daten heruntergefunkt, die momentan ausgewertet werden. Ihr müßt also bis auf weiteres mit meiner Wenigkeit vorliebnehmen.“
„Mit Schmerzen, mein Bester, mit Schmerzen,“ ulkte Jan ter Ries, der niederländische Chef der Allgemein – Technischen Abteilung.
„Sobald Roland sich freimachen kann, kommt er zu uns. Dies als Trost für seine Fans. Jetzt aber zum Ernst der Lage. Unsere Informanten in Osteuropa zeichnen folgendes Bild:
Auf dringendes Anraten der militärischen Führung – hervorgehoben


wird hier die starke Aktivität Oberst Flaptows – verstärkt die Union ihre Verteidigungsanstrengungen. Überall werden Stützpunkte ausgebaut, Abwehrforts aufgestockt, und immer mehr oder weniger,Freiwillige‘ als bisher werden eingezogen. In den Familien herrscht Angst vor der Einzugswelle.
Entgegen der Forderung des Militärs – auch hier spielt der Generaloberst der roten Armee, Igor Flaptow, eine herausragende Rolle – wird eine offensive Waffenanlage weiterhin abgelehnt. Wie wir erfuhren, werden jedoch vermehrt Atom – Waffen und modernste Laser – Werfer hergestellt und eingelagert.“
Jens Rasmussen, einer der fünf Belegschaftsvertreter im Kreis, warf ein:

„Wie sieht es aus mit der Wahrheitstreue jener Gerüchte, die Stimmung in der Bevölkerung betreffend? Thema Flucht, sozusagen.“
„Ja, Jens, du schneidest ein interessantes Thema an,“ begann Rainer Schmidt, Chef der Nachrichten – Technik im Euro-Labor, und suchte aus seinen Unterlagen die richtige Folie heraus.
„Bis heute sind nach unseren Informationen etwa 5.000 Menschen an der,Grenze des Friedens‘, wie es heißt,,auf der Flucht versehentlich tödlich getroffen worden‘. Immer mehr Menschen gelingt jedoch die Flucht in westliche Staaten, was den Machthabern im Kreml selbstredend nicht gefällt. Die Europa – Regierung erhielt vor kurzem auch einen,Liebesbrief mit Moskauer Poststempel.“
„Kannst du dich nicht etwas kürzer fassen, Rainer,“ bat Maurice Belanger, stellvertretender Stationsleiter und EDV – Fachmann aus Frankreich. Immer noch stand er, erregt über die seiner Meinung nach lasche Reaktion der Gruppe auf die internationale Lage, hinter Tom Atkins Stuhl.
„Wir verbrauchen hier wieder sieben Zehntel unserer Zeit dafür, Dinge zusammenzutragen, die sowieso jeder weiß, Tom. Wie ich eben bereits sagte, ist es an der Zeit, etwas zu unternehmen!“
„Maurice, ich weiß, daß es schwer für dich ist, aber die Verantwortung, die wir tragen, verlangt von uns, daß wir alle Aktionen gründlich ausrecherchieren. Jede unserer Handlungen, jeder Rat an eine Regierung oder politisch relevante Gruppe kann eine Katastrophe aufhalten oder


abwenden. Sie kann aber – und darauf muß ich mit aller Deutlichkeit immer wieder hinweisen – ebensogut erst die große Katastrophe auslösen.“
Tom blickte sich nach Maurice um, der unverständliche Worte murmelte, sich dann aber auf seinen Platz am mit Elektronik gespickten ovalen Tisch setzte. Dann sagte Tom mit einer einladenden Handbewegung: „Du warst unterbrochen worden, Rainer. Fahre bitte fort.“
„Danke. Ich darf zunächst darauf hinweisen, daß einige Damen und Herren nicht so umfassend informiert sein können wie unser französischer Spezialist und Computerliebhaber, ganz einfach deshalb, weil sie zuweilen Aufgaben außerhalb des Hauses zu erledigen haben. Dennoch werde ich mich kurz fassen.“
Er zog eine feuerrote Folie aus seinem Unterlagenordner und fuhr fort: „Die Euro – Regierung erhielt, wie gesagt, eine Depesche aus Moskau, in der gefordert wird (ich zitiere):
‘...lassen Sie jeden Bürger der Union der Demokratisch – Leninistischen Staaten unbehindert wieder in sein Heimatland ausreisen. Sollte der illegale Menschenhandel nicht von den zuständigen Stellen Ihrer Regierung gestoppt werden, so sehen wir uns gezwungen, geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen...‘“
Rainer Schmidt legte die Geheim – Folie wieder in seinen Ordner zurück und erläuterte:
„Soweit ein entscheidender Auszug aus der Protestnote, die die Europäische Regierung im letzten Monat erhielt...“
Wieder wurde Rainer in seiner Darstellung unterbrochen, diesmal durch die scharrenden Geräusche, die entstanden, wenn sich die großen Stahlplatten der Türöffnung verschoben. Richtig, die Stahlplatten des Verbindungsganges zur Info – Abteilung verschwanden in den Seitenwänden und im Boden der Anlage, um einem eiligen Besucher den Weg freizumachen.
„Tom, es ist soweit!“
Roland Becker, ehemaliger Sprachforscher und Journalist, im Euro – Labor zuständig für Nachrichtenauswertung und Decodierungen, stürmte in den Konferenzsaal. Er legte eine Folie vor Atkins auf den Konferenztisch, umrundete denselben, sah Rainer kurz über die Schulter und beendete dann den Bericht:
„Entschuldigt, wenn ich es sehr kurz mache, aber die Umstände erfordern rasches Handeln. Ich fasse den Rest des Berichtes mit Eurer Erlaubnis kurz zusammen.“
Roland Becker blickte in die Runde. Alle, Tom ausgenommen, der sich in die Folie vertieft hatte, sahen ihn gespannt an.
„Vor kurzem stellten wir durch unsere Verbindung zum Labour – Space – wie ihr wißt, eine Gemeinschaftsarbeit der Demo – Charta mit den Asean – Staaten – fest, daß es gewaltige Truppenbewegungen in der östlichen Hemisphäre gibt. Der von uns angeregte Vorschlag der Demo – Charta zu Verhandlungen auf neutralem Boden wurde von Moskau akzeptiert. Die Gespräche auf dem Ozean brachten keine nennenswerten Fortschritte. Dies ist die Situation, wie sie heute leider besteht. Und nun ist es an uns, den vereinten Geisteskräften irdischer Wissenschaftler, Tüftler und Spezialisten, diese Lage zu entschärfen. Alles andere anzukündigen ist Toms Aufgabe.“
Roland Becker nahm neben Rainer seinen angestammten Platz ein.
Tom Atkins räusperte sich, blickte ernst in die Runde und sagte dann:
„Diese Folie enthält eine Order des Ratsvorsitzenden unserer Organisation. PT ordnet verschiedene Aktionen an, über die zu gegebener Zeit die Einsatzleiter und Beteiligten informiert werden. Ab sofort haben alle Führungsmitglieder ihre Unterkünfte im Euro – Labor zu beziehen. Eventuelle Verpflichtungen außerhalb des Hauses haben Sie nach Beendigung dieser Konferenz sofort zu kanzeln. Die weiteren Informationen – soweit ich berechtigt bin, diese an Sie weiterzugeben – erhalten Sie morgen.“
Gemurmel erhob sich im Saal, erstarb aber sofort wieder, als Tom Atkins den Schalter für die interne Kommunikationsanlage umlegte.
„ACHTUNG DURCHSAGE AN ALLE – ACHTUNG DURCHSAGE AN ALLE“
Ruhig sprach Atkins diese Worte in das von der Decke herabgekommene Mikrofon. Äußerlich sah man Tom keinerlei Regung an. Ob ihn dies alles wirklich kalt ließ? Einige Minuten ließ er verstreichen, damit alle in der Station Arbeitenden Gelegenheit bekamen, ihre Tätigkeiten zu unterbrechen. Dann fuhr er ebenso ruhig fort:


„ALPHA EINS – ALPHA EINS – HIER SPRICHT TOM ATKINS“

In allen Räumen des gewaltigen Komplexes, in chemischen Labors, Nachrichtenzentralen, Freizeiträumen, Gymnastik – und Sporthallen, Kantinen und Werkstätten,... es würde zu weit führen, alle Abteilungen des Euro-Labors aufzuzählen, aber in jedem dieser Räume standen die Menschen und lauschten dem, was der Stationsleiter ihnen zu sagen hatte.
„Situation AX 111 tritt ab sofort in Kraft. Ich wiederhole: Situation AX 111.“
Die,Situation AX 111‘ bedeutete nichts anderes, als daß nun gehandelt werden mußte. Jeder Mitarbeiter deponierte alles, was auf seine Identität rückschließen ließ, im Hauptsafe des Eurolabs, und alle derzeit auswärtig arbeitenden Mitarbeiter wurden mittels,stille.- Alarmierung‘ ins Zentrum zurückbeordert.
Ab sofort steht der Hauptsafe, Etage U 542, Raum 247, bereit. Karenzzeit läuft ab sofort für zwölf Stunden. Standardzeit jetzt: 23/10/2034/14.35.00. Ich wiederhole. Standardzeit jetzt: 23/10/2034/14.35.00. Zustand AX 111 tritt in Kraft. Atkins Ende.“
Tom Atkins schaltete die Rundspruchanlage wieder ab. Automatisch wurde das Mikrofon wieder hinaufgezogen, um in der Deckenverankerung zu verschwinden.
Die am Tisch versammelten Spezialisten aus ganz Europa sahen ihn gespannt an. Schließlich faßte Jeanette Berge zusammen, was sie alle bewegte:
„Was ist los, Tom?“
Und der gab sofort umfassend Auskunft.
„Nun ja, dann will ich es gleich offiziell machen.“
Er räusperte sich kurz und fuhr dann fort:
„Dies,“ er hielt die von Ronald erhaltene Folie kurz hoch, „ist eine Nachricht von PT. Sie besagt, daß die militärische Führungs – Troika der Demo – Charta, allen voran unser Chief Commander Browning, auf erhöhte Verteidigungsbereitschaft drängt. Noch lehnt die Regierung in Brüssel Mobilmachung und Einzugsverfahren ab. Die Defensiv – Waffen sind unverändert stark. Eine Entspannung der Lage ist dringend not


wendig und muß schnellstmöglich in Angriff genommen werden. Soweit die Nachricht. Zählen wir jetzt noch die Informationen von Easalab und die Nachrichten vom Labour – Space hinzu, so kann ich nur mit einem alten Staatslenker sagen,,meine Damen und Herren, die Lage ist ernst‘. Ich muß Sie laut AX 111 darauf aufmerksam machen, daß wir von nun an bei allen Handlungen hart am Rande der Legalität arbeiten werden. Sollten wir bei – möglicherweise notwendig werdenden – illegalen Handlungen gefaßt werden, so werden die uns tragenden und stützenden Gremien jede Kenntnis und jegliche Verbindung zu unserer Organisation bestreiten. Gehen wir zum Hauptsafe.“

Feind – Berührung

„Du, hat da nicht was geraschelt?“
„Was soll denn hier rascheln, Mann? Ist doch alles einbetoniert.“ „Dann habe ich mich eben geirrt.“

Eine Weile schwiegen die beiden grüngekleideten Gestalten vor dem niedrigen Gebäude. Sie waren die einzigen grünen Punkte, die einem Beobachter ins Auge stachen.

„Weißt du, ich kann mich an die Dinger nicht gewöhnen. Konnten die
nicht besser gesichert werden? Hier kommt doch jeder dran, der dran
will.“
„Die Bunker sind so gesichert, da kommt außer uns beiden keiner rein.
Außerdem bist du wohl auch freiwillig dem Ruf der Regierung gefolgt,
oder?“
„Ja, aber –“
„Pscht!“
„Da war es wieder!“
„Ja, jetzt habe ich es auch gehört. Das Gelände ist doch unmöglich von
Unbefugten zu betreten.“
„Außerdem steht es ja am Zaun!“

Die beiden Wächter nahmen die MGs in die Hand und richteten die Läufe auf die Ecke des grauen Steinquaders, um die der unheimliche Feind kommen mußte. Der Bunker war eines der wichtigsten Gebäude dieser Erde – im negativen Sinne.

Sie lauschten.
Das Rascheln wiederholte sich.
Es war näher gekommen!
WER kam da?
WAS hatte er vor?
WIE war er bewaffnet?

DA!!!

Ein Schatten fiel in das grelle Licht der Flutlichtanlage. Gewehrschlösser knackten.
Und dann geschah es:

Ein kleiner schwarzer Vogel spazierte um die Ecke, einen für ihn viel zu großen Strohhalm im Schnabel. Als er die ihm drohende Gefahr bemerkte, ließ er den Strohhalm Strohhalm sein und ergriff statt dessen die Flucht. Auf dem schnellsten Wege.

„Das war wohl deine erste Feindberührung, was?“ fragte Fred den zitternden, kalkweißen Kollegen.
„Nun ja, ich glaube, jeder ist nervös in dieser Zeit. Gerade hier sind wir doch sehr gefährdet.“
„Du nimmst das viel zu ernst, Junge. Du glaubst doch nicht im Ernst dran, daß die Kommunisten einen Krieg anfangen wollen? Erstens würde ihnen das wenig nützen, und zweitens... – he, – was...“
Er sollte nicht mehr dazu kommen auszusprechen, was,zweitens‘ die Kommunisten daran hindern würde, einen Krieg anzuzetteln. Eine pneumatische Narkose, Marke,Gummi – Hammer‘, versenkte ihn und seinen Kollegen ins Land der Träume.

„Na, das ging ja leichter, als wir gedacht hatten. Die beiden waren ja wirklich zu leichtsinnig, obwohl das gar nicht ihre Schuld ist. – Moerchen, behandle die Sicherheitsanlagen. – Wo sind unsere,Heeres – Statisten‘?“
Zweimal ertönte ein militärisch knappes „HIER!“, und zwei grünuniformierte Gestalten lösten sich aus dem Dunkel der Basis.
„Peet, Rige, auf eure Plätze!“

Alles klappte, wie sie es geprobt hatten. Alle Informationen waren absolut richtig gewesen. Nur hier und da drohte das Unternehmen an kleinen Unsauberheiten zu scheitern, wie ein Beobachter bald bemerkt
hätte.
Aber es gab keinen Beobachter, der hätte sehen können, wie vier dunkel gekleidete Gestalten die beiden sanft schlummernden Wachen in den Bunker zogen und hinter einer Gangbiegung verschwanden. Nichts deutete darauf hin, daß hier irgend etwas Ungesetzliches im Gange war. „Und wo sind die Dinger jetzt, Doc?“ fragte der augenscheinliche Anführer der Gruppe, die in den unterirdischen Teil der Anlage vorgedrungen war.
„Laut unseren Informationen in VIER U, Boß.“
Er blickte kurz auf seinen Arm – Chrono und ergänzte:
„Wir schaffen’s sicher bis zur Ablösung. Wir haben sogar vier Minuten zusätzlichen Spielraum.“
„Einen sonnigen Humor hast du, hier von Spielraum zu sprechen,“ ließ sich eine junge Stimme vernehmen.
„Irgendwie muß man das Manko im Wetter ja ausgleichen, Ron.“ „Quatsch nicht so dämlich hier rum. Wir müssen mit allem rechnen, also beeilen wir uns lieber,“ trieb der Anführer des dunklen Unternehmens seine Leute an. Was ihm ein mehrstimmiges
„Schon gut, schon gut“
einbrachte.
Nach etwa fünfhundert Metern Plateauwegs gelangten die nächtlichen Besucher ohne Eintrittskarte vor dem Herzen des Bunkers an.
„Na, wer sagt’s denn,“ freute sich der Ober – Gangster. „Mike, die Tür.“ „Schon so gut wie offen,“ gab dieser prahlerisch zurück.
Es dauerte dann doch ein wenig länger, aber dann war es geschafft, und die Männer waren am Ziel ihrer nächtlichen Wünsche. Langsam glitt die große Stahltüre zur Seite und gab den Blick in eine gigantische Halle frei. Alles war so, wie es ihr Informant ausgeplaudert hatte:
In der Halle stand Stahlgerüst an Stahlgerüst.
Nur ein winziger Schönheitsfehler hatte sich eingeschlichen.

„DIE SIND JA ALLE LEER!“

Die Gestalt mit der jungen Stimme hatte diesen Entsetzensschrei ausgestoßen.
Es stimmte.
Die Gegenstände, denen der Besuch der Dunkelmänner galt, waren
nicht in ihren Stahlhalterungen.

„Verdammt. Und was jetzt?“
„Wir sollten –“
„SCH...“
Schritte hallten durch den Notabstieg, der benutzt werden sollte, wenn
die Lifte defekt waren oder nicht benutzt werden durften.
„Los, Deckung!“
Der Anführer der irregeleiteten Möchte – gern – Diebe rannte auf die andere Seite des Ganges, um sich dort hinter einem Computer – Terminal zu verbergen. Er zog einen mattglänzenden Gegenstand unter seiner
Jacke hervor.
Auch die übrigen hatten sich schützende Verstecke gesucht. Der Stö
renfried konnte kommen. Er würde schon sehen, was er davon hatte.
Dessen Schritte klangen jetzt lauter und lauter durch den nunmehr in
absoluter Dunkelheit daliegenden Gang.
Die Gestalten in der Halle hielten den Atem an.

DA!

Ein gelblicher Lichtschimmer blitzte aus der Dunkelheit des Ganges zu ihnen hinüber, reflektierte vom Gehäuse des Terminals und den silbernen Wänden der unterirdischen Anlage.
Jetzt verhielten die Schritte vor der Halle.


Im Dämmerlicht der Reflexionen zeichnete sich undeutlich ein hagerer Schatten ab.
Für Sekunden herrschte atemlose Stille.
Gespenstische Stille.
Der nadelfeine Lichtstrahl wanderte durch die Halle, als suchte er etwas, an dem er sich festhalten könnte.
Dann zerstörte eine leise Männerstimme die Ruhe:

„Hey – wo seid Ihr?“

Der Körper des Anführers entspannte sich.
„Ach, du bist es, Miles. Was gibt’s?“
Der Boß des Unternehmens kam hinter dem Terminal hervor und schaltete seine Stablampe wieder ein. Auch die anderen Absteiger kamen wieder aus ihren Verstecken, erleichtert über die glückliche Erklärung des Schritte – Rätsels. Gespannt sahen sie dem Boten ins Gesicht.
„Es hat sich was geändert,“ begann er seine Nachricht, wurde aber durch verhaltenes Gelächter und die Bemerkung unterbrochen:
„Schlaues Bürschchen, das haben wir auch schon spitz gekriegt!“
„Haltet die Klappe!“ sorgte der Boß für Ruhe, „wir sind hier nicht beim Kaffee – Kränzchen.“
Mit einer Handbewegung forderte er den Neuankömmling auf fortzufahren.
„Unser Informant hat durchgegeben, daß die BZ – 306 kurzfristig in Halle ZWO U verlegt worden seien.“
Der Ober – Höhlenforscher hielt mit seiner Begeisterung über diese Nachricht nicht hinter’m Berg.
„Phantastisch! Und wo ist diese gottverdammte Halle U ZWO? WOMÖGLICH AM ANDEREN ENDE DES WALDES???“
Eine gewisse Nervosität im Verhalten des Chef – Dunkelmannes war nicht zu übersehen. Er hätte als Schurken – Darsteller wohl allenfalls bei der US-Serie,Dallas‘ eine Chance gehabt. Aber das wahre Leben schreibt eben eigenartige Drehbücher.
War die ganze Arbeit umsonst gewesen? Würde jetzt alles scheitern? Hatten sie genug Zeit, ihren Plan durchzuführen? Ob die anderen ähnliche Probleme hatten?
Als dies schoß dem Boß der Tiefenforscher in Sekundenbruchteilen durch den Kopf.

„Nein, die Halle ZWO U liegt direkt unter der Erde, ein paar Etagen über uns. Die Dinger sind erst heute nachmittag nach oben transportiert worden. Militärbeschluß.“
„Aha,“ ließ sich eine Stimme vernehmen, während dem Boß ein Stein vom Herzen fiel, „mit dem Militär geht’s aufwärts.“
Eine zweite Stimme ergänzte: „Ihm nach, Freunde!“
Während sich einer der Männer darum bemühte, das Schott und sein Schloß wieder in seinen vorherigen Zustand zurückzuversetzen, begaben sich die anderen, der Boß an der Spitze, wieder nach oben.
„Wenn man uns jetzt hier erwischt, sehen wir alt aus. Meinst du, wir schaffen es noch rechtzeitig, fertig zu sein, bevor unsere Wachendarsteller abgelöst werden?“ erkundigte sich einer der Männer während des Laufes bei seinem Chef.
„Wir haben eine Menge Zeit verloren. Aber ich hoffe, die Zeit, die wir jetzt verloren haben, dadurch wieder einzusparen, daß die Halle ZWO U näher am Eingang liegt.“
„Denk dran, wir haben nur noch fünfzehn Minuten bis zur Wachablösung,“ mahnte der Mitläufer und wurde postwendend beschieden mit der Aufforderung:
„Also beeilen wir uns! – Na endlich, Mike,“ begrüßte der Boß den heraneilenden Schloßspezialisten, „wir haben nur noch vierzehn Minuten.“
Diesmal hatte das Schott Mike keinen nennenswerten Widerstand zu bieten, dafür bot die Halle um so mehr Sehenswertes. Aber mit dem Spruch,BZ-306 sehen und sterben‘ gaben sich die nächtlichen Untergrund – Touristen nicht zufrieden.
„Gut, Mike. Jetzt schnell, jeder übernimmt seinen Part wie geplant. Los geht’s.“
Jetzt zeigte sich, wie gut das Team aufeinander eingespielt worden war. Reibungslos ging die Aktion über die schlecht ausgeleuchtete Bühne.
„Noch vier Minuten bis X,“ tönte die Stimme des Ober – Gangsters, vom Widerhall verstärkt, durch die immer leerer werdende Halle, „wie viele noch?“
„Nur noch zwei! Die Kleinsten und Leichtesten.“
„Gut! Jeder hat seine Aufgabe. Zwei Mann pro Gerät. Und jetzt vor
allem Ruhe und alles wieder verschließen. Hoffentlich ging es bei den
anderen besser. Sonst könnte es unangenehm werden.“

Drei Minuten später lag das Bundeswehr – Depot Fichtenwald, in dem
nach amtlichen Angaben nur konventionelle Waffen der Euro – Armee
gelagert wurden, wieder in völliger Ruhe da.
Alles war wie vorher.
Das heißt: nicht ganz.

Ein kleiner schwarzer Vogel näherte sich vorsichtig einem für ihn viel zu großen Strohhalm, als sich ein Fahrzeug dem Bunker näherte. Schimpfend ergriff der Vogel erneut die Flucht.

Und noch etwas war anders:
Zwei Wachen waren verschwunden, die laut Dienstplan vor dem Bunker
zu patrouillieren hatten.
Und da dies sogar dem Leutnant der Wehr auffiel, gab dieser

ALARM

Doch die dreisten Diebe waren wie vom Erdboden verschluckt...

„... der EURO – GRENZSCHUTZ fahndet bislang vergeblich nach den Dieben. Nach Angaben der EUR – ARMY – Verwaltung in Geiselgasteig handelt es sich bei den entwendeten Gegenständen um neuartige Energieerzeuger. In seiner Erklärung zu den Fichtenwalder Vorgängen spricht der Verteidigungsminister von einem,unbedeutenden Vorkommnis‘. Aus gut unterrichteten Regierungskreisen verlautet jedoch gerüchteweise, daß dieser Einbruch nur ein kleiner Teil einer groß angelegten Diebstahls – Serie sei. Eine Bestätigung dieser Darstellung war aus Brüssel nicht zu erhalten.
Nürnberg...“
Fortsetzung folgt in Teil 2