Mit diesem Tip kehren wir wieder zurück auf die gute alte Mutter Erde. Keine Raumschiffe, keine Roboter, alles ganz normal. Auch wenn der Blickwinkel nicht unbedingt für jede(n), um es mit Pille zu sagen,"as we know it" ist.
Aber in diesem Roman geht es nicht um Startrek oder die Zukunft, es geht um die Gegenwart und die Vergangenheit. Genauer gesagt Gegenwart und Vergangenheit von Tobias Listiger.
Alles beginnt an einem Montagmorgen mit einer email von Tobias' Freundin Kerstin. Inhalt der mail: Tobias' Wochenhoroskop. Und das besteht aus den verheißungsvollen Zeilen: "Sehen Sie sich vor! Ein Unglück kommt selten allein!" Obwohl Tobias dafür nur ein müdes Grinsen übrig hat, könnte man bei der Lektüre dieses Buches doch auf die Idee kommen, daß dieses Horoskop nicht völlig danebenlag.
Nicht lange nach dem Erhalt dieser Email bringt ein trauriges Familienergeignis Tobias in seine alte Heimat zurück, die Region, in der er seine Kindheit und Jugend zugebracht hat. Und in dieser Kindheit und Jugend gibt es einen schwarzen Punkt, den er seit langem verdrängt, aber nie wirklich überwunden hat. Alles kommt wieder an die Oberfäche, als er den besten Freund seiner Kindert- und Jugendjahre wiedertrifft. Aber noch ist er nicht bereit ...
Stück für Stück erfährt der Leser im Laufe der Geschichte von Tobias selbst (denn er ist der Ich-Erzähler), das es ein Geheimnis gibt und daß es verdrängt aus seinem Bewußtsein doch immer noch sein Leben beeinflußt.
Nach und nach kehrt die verdrängte Erinnerung zurück und erlebt der Leser Tobias' Kindheit und Jugend mit, begibt sich mit Tobias auf seine Reise in die Vergangenheit.
Auch wenn das jetzt ziemlich dröge und hochkompliziert klingen mag, ist dieses Buch sehr gut und mit sehr viel (Un)Sinn für Humor und Selbstironie geschrieben. Es ist einerseits Tobias' Suche nach seiner Vergangenheit, die Erinnerung an eine tragische Liebesgeschichte. Zum anderen aber fast ein Kriminalroman, allerdings nicht mit der Frage "Wer wars" sondern "Was ist geschehen?". Von diesem was wird im Laufe des Buches, das auf zwei Zeitebenen spielt - Tobis Gegenwart und Vergangenheit -, immer wieder ein kleines Stückchen freigelegt. Es bleibt spannend bis zur letzten Zeile.
Daneben ist es erfreulicherweise auch nicht 08/15 gestaltet - jedes Kapitel ist nach einer Schallplatte (ja, einer echten!) des Jahres benannt, in dem das zugehörige Kapitel spielt - und das Plattencover ziert den Kapitelanfang.
Noch eines: In der Widmung heißt es "ich solle doch mal was Lustiges schreiben". Und obwohl das Buch sehr unterhaltsam und an vielen Stellen wirklich "lustig" ist (besonders die Inhaltsangaben weltbewegender TV-Serien), würde ich das Buch selbst nicht als "lustig" bezeichnen, dafür wird die Geschichte doch zu ernst.
Aber es ist ein wirklich sehr gut geschriebenes Buch, spannend, menschlich, unterhaltsam, das es kaum zuläßt, es aus der Hand zu legen, bevor die letzte Seite gelesen ist. Ja, es ist eines der besten Bücher, das ich in den letzten Jahren gelesen habe. Ich hoffe, Jan Stressenreuter wird noch häufiger dem Wunsch nachkommen, etwas lustiges zu schreiben.
Ach ja: Auch wenn das Buch im Querverlag erscheint und der "Held" schwul ist: Man/frau muß nicht schwul/lesbisch sein, um dieses Buch lesen zu können - man muß ja auch kein Kommissar sein, um Krimis zu lesen (oder?)
Jan Stressenreuter:
Love to Love You, Baby
ca. 333 Seiten
15,50 tEuro (BRD)
ISBN 3-89656-073-5